Nachhaltigkeit – das neue Normal?

Nachhaltigkeit – das neue Normal?

Nachhaltigkeit und Leichtbau

Wie allgegenwärtig die Nachhaltigkeit sich durch unser Leben zieht, erleben wir tagtäglich in der raumprobe. Uns erreichen neue, nachhaltig konzipierte Materialien, Rechercheanfragen mit dem Hintergrund nachhaltiger Projekte, Einreichungen im Materialpreis mit nachhaltigen Materialanwendungen und Veranstaltungskonzepte mit dem Fokusthema Nachhaltiges Bauen. Denn insbesondere der Gebäudesektor, der den europäischen Energie- und Klimazielen hinterherhinkt, sorgt für ein Umdenken in der Branche. Der Megatrend Nachhaltigkeit ist mehr als ein Trend, er ist bereits in der Gesetzgebung (Bundesklimaschutzgesetz – Agenda 2030) verankert. Ist Nachhaltigkeit also das neue Normal?

Ein Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit, der den bewussten Materialeinsatz und -verbrauch sucht, also den Ressourcenverbrauch reduziert und somit auch die Emissionen minimiert, kann Leichtbau sein. Dabei geht es um weit mehr als reine Gewichtsreduktion. Für die bemerkenswerte Materialentwicklung, der die Leichtigkeit förmlich anzusehen ist, hat das Designstudio Niruk zwei Werkstoffe miteinander verbunden, die unterschiedlicher nicht sein könnten – Beton und Kork. Bei Corcrete handelt es sich um einen zementgebundenen Terrazzo-Werkstoff mit einer sehr zeitgemäßen Ausstrahlung, der die besten Attribute seiner Bestandteile miteinander vereint: Festigkeit, Klarheit und Kühle des Betons und Natürlichkeit, Haptik und Wärme des nachwachsenden Rohstoffes Kork.

 Das manifestiert sich nicht nur im Gewicht und der Dichte von 1200kg/m 3 . Durch Schleifen ragt der Kork mit einer Körnung von 6 – 12 mm Durchmesser erhaben aus der Oberfläche heraus und sorgt für die Weichheit und angenehme, handwarme Oberfläche, die mit Beton normalerweise nicht assoziiert werden. Der Korkzuschlag aus produktionsbedingten Abfällen sorgt zudem für eine rutschhemmende Oberflächenbeschaffenheit, die mit R9 ausgewiesen ist. Dadurch erweitern sich die Anwendungsbereiche des Kompositmaterials, das als Möbelwerkstoff, im Innenausbau und als Wandverkleidung eingesetzt wird, um den Einsatz als Fußbodenbelag.

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Einen anderen Ansatz verfolgt das Unternehmen Grama Blend: durch Hinzufügen eines Trägermateriales – je nach Anwendung Alucubond, Aluminiumwellplatte, etc. – wird das Volumen des Deckmaterials reduziert und folglich massiver Stein mit CNC-basierter Fertigungstechnologie in dünne, großflächige Paneele transformiert. So kann die Materialstärke des Grama Blend Terrazzos auf nur 4 mm und die Plattenstärke auf 8,5 mm +/- 0,5 mm reduziert werden. Die Material- und Gewichtseinsparung – ein 1.250 x 2.450 mm großen Paneels wiegt nur 13 kg/m 2 – ermöglicht den Einsatz für Wand, Decke und Möbelverkleidungen im Flugzeug, Wohnmobil oder Aufzug, Yacht- oder ganz allgemein dem Innenausbau. Die spezielle Sandwich-Bauweise erhöht zudem die Belastbarkeit des Natursteins bei Vibrationen bzw. Verwindungen.

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Leichtbau zählt nicht nur im Mobilitätssektor, sondern auch in der Baubranche als Schlüsseltechnologie und kann dazu beitragen, dass Bauteile stabiler und sicherer werden, wenn deren Festigkeit und Steifigkeit durch die eingesetzten Werkstoffe erhöht werden. Dazu gehört auch der materialeffiziente Hochleistungswerkstoff Lisocore, der von H. Schubert / imi surface design mit mineralischer Oberflächenbeschichtung als imi-core angeboten wird. Seine Deckschichten stammen aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern– ein Kriterium, das als Standard gesetzt werden sollte. Aus den Innenseiten der Decklage sind Vertiefungen eingefräst, die einen Formschluss mit der Kernstruktur, einem doppelten gekrümmten Schalentragwerk aus gepresstem Holz- oder Pflanzenfaserflies, eingeht. Die daraus resultierende kraftschlüssige Verbindung sorgt für außerordentliche Stabilität.

 Die Hohlräume im Plattenkern des patentierten Aufbaus können Verkabelungen als Installationsebene dienen. Neben einer großen Auswahl und Kombinierbarkeit verschiedener Deckschichten mit unterschiedlich hohen Kernstrukturen von 16 bis 120 mm ermöglicht ein eingearbeiteter Multiplex-Riegel die Integration sämtlicher Befestigungssysteme. Der Leichtbauwerkstoff erreicht eine Materialersparnis von über 50 %. In der Baubranche wird Holzbau als Allheilmittel gesehen, wohingegen Beton und Zement verpönt sind. Umso wichtiger ist es die nachhaltige Forstwirtschaft voranzutreiben, um sicherzustellen, dass der Holzbedarf und die ausreichende Aufforstung sichergestellt sind.

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Im Bereich der akustischen Wirksamkeit gehen Nachhaltigkeit und Leichtbau eine besondere Symbiose ein. Nicht nur treiben nachwachsende Rohstoffe zirkuläre Materialkultur voran – durch clevere md Beitrag 07/08 – Nachhaltigkeit und Leichtbau Weiterentwicklungen und Materialeinsparung entstehen Akustikabsorber. Das Akustikpaneel ACOUSTICs - PREMIUM Altholz von Admonter Holzindustrie zeichnet sich durch eine Decklage aus natürlichem Massivholz aus, die eine akustisch offene Fläche von 17,5 % generiert. Durch seinen baubiologisch natürlichen Aufbau (30 mm Sinuswabe und rückseitig aufkaschiertes Akustikvlies) und seinem Flächengewicht von nur ca. 4,4 kg/m 2 liefert es beste Schallabsorptionswerte und fördert die Behaglichkeit das Wohlbefinden eines Menschen, das sich maßgeblich durch äußere Einflüsse der Umgebung bedingt. Obwohl sie faktisch nicht messbar ist, tragen psychologische, physiologische, soziologische sowie ästhetische Einflüsse zu dieser subjektiven Sinneswahrnehmung bei. 

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Auch das Flächengewicht von Acoustic Pulp von Baux ist bemerkenswert. Das zu 100 % biobasierte Akustikmaterial aus den Resten von Kiefern, Tannen, Wachs, Weizen, Kartoffeln und Zitrusfrüchten ist in drei Mustern verfügbar, die von gefaltetem Papier inspiriert sind. Leichtbau kann also einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Bei neuartigen Verbundmaterialien ist die Recycelbarkeit oft schwierig. Zu achten ist dabei auf den Materialverbund, dessen sortenreine Trennbarkeit und den Einsatz recycelter Werkstoffe. Sicherlich wird diese neue Normalität erst Wirklichkeit, wenn uns die Ressourcen tatsächlich ausgehen, also die Natur – oder eben die Politik – uns dazu zwingt. So lange ist es an uns allen, nicht nur darüber zu diskutieren, zu lesen und zu schreiben. Es braucht ein ernsthaftes Umdenken. Schön zu sehen, dass bereits viele damit angefangen haben.

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Jörg Schmitt
 

Innenarchitekt Jörg Schmitt ist seit 2013 als Projektleiter für den Materialpreis zuständig. Mit seiner Zuständigkeit für Art Direktion, Öffentlichkeitsarbeit und Homepage, wendet er sich zudem mit dem Materialnewsletter an die zahlreichen Mitglieder und Interessierten von raumprobe und führt Besuchergruppen durch die Materialwelt. Darüber hinaus ist der Innenarchitekt auch beratend tätig.

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